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Die Stiftung « Archivum Helveto-Polonicum »

Die Stiftung « Archivum Helveto-Polonicum » ist eine wissenschaftliche Institution mit dem Ziel, Dokumente und Zeugnisse der Präsenz von Polinnen und Polen in der Schweiz zu sammeln, zu dokumentieren, zu katalogisieren, zur Verfügung zu stellen und zu verbreiten. Sie wurde im Juni 1997 in Anwesenheit eines Notars und mit Zustimmung der Behörden des Kantons Freiburg gegründet. Sie ist im Schweizer Stiftungsverzeichnis registriert und wird allgemein und finanziell durch die entsprechenden staatlichen Institutionen kontrolliert. Sie besitzt den Status einer Institution von öffentlichem Interesse.

Die Stiftung besitzt ca. 60 000 Bücher und Broschüren, 5 000 Zeitschriftentitel (25 000 Bände), 200 000 Briefe und andere Dokumente, 15 000 Fotografien, 1 500 Tonband- und Videokassetten, Tausende Presseausschnitte und Hunderte Gegenstände, die Leben und Arbeit der Polinnen und Polen in der Schweiz im 19. und 20. Jahrhundert repräsentieren.

Die Bestände entstanden während über 15 Jahren aus der privaten Sammlung der Gründer der Stiftung (Ludwika und Jacek Sygnarski), die in der Folge durch zahlreiche Nachlässe von polnischen und Schweizer Familien und Organisationen ergänzt wurde. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten dokumentiert die Stiftung auch die Gegenwart, indem sie alle Drucksachen, Presseausschnitte und Fotos sammelt, welche polnische Veranstaltungen dokumentieren. Dank ihrem Rechtsstatus kann und will sie die Zeugnisse der Tätigkeit von Polinnen und Polen retten und bewahren und zugleich den Schweizerinnen und Schweizern den polnischen Beitrag zum politischen und kulturellen Leben der Schweiz bewusst machen.


Die Stiftung besitzt drei Arten von Beständen:

Der erste ergibt sich aus den Statuten: Es ist dies die Sammlung von unabhängigen Publikationen und Drucken, die in den Jahren von 1976 bis 1989 in Polen herausgegeben wurden. Darunter sind Bücher, Zeitzschriften, Tonband- und Videokassetten, Plakate, Flugblätter, Postkarten, Briefmarken, Fotos usw. Es ist dies eine nahezu vollständige Sammlung, die grösste in der Schweiz und eine der grössten Europas. Alle Bücher und Zeitschriften sind digitalisiert, und ihre Computerversionen befinden sich im Besitz der Biblioteka Narodowa in Warschau, der Jagiellonenbibliothek in Krakau sowie der Universitätsbibliothek in Toruń. Die Sammlung ist geordnet und ihre Konsultation sehr einfach, zumal die meisten Dokumente doppelt vorhanden sind. Dieser Grundsatz wird auch für die anderen Sammlungen angewendet und erlaubt interessierten Personen, die Bestände auch ausserhalb des Lokals zu konsultieren.

Die zweite Sammlung, die eigentliche Bibliothek, ist eine Sammlung von Büchern und Zeitschriften, die ausserhalb Polens von Polen oder aber zu polnischen Themen herausgegeben wurden (so genannte ausländische Polonica). Man findet hier gleichermassen Publikationen des Zweiten Corps der Polnischen Armee im Westen, der polnischen Internierten in Budapest oder Bukarest, Drucke aus französischen, englischen oder deutschen Verlagen, wie auch viele sehr seltene vervielfältigte Dokumente, die für die Gefangenenlager bestimmt waren. Die Sammlung wird von Büchern und Zeitschriften aus polnischen Verlagen im Bereich der Literatur, Geschichte und Philosophie vervollständigt, womit zugleich die slavistische Bibliothek der Universität Freiburg ergänzt wird.


Eine dritte Gruppe von Materialien bildet das eigentliche Archiv. Die Sammlung besteht aus verschiedenen Abteilungen.

Eine erste bildet die Korrespondenz von Henryk Opieński, einem Musikwissenschafter und Freund von Ignacy Paderewski. Sie umfasst die Zeit von 1893 bis zum Tod Opieńskis. Es ist ein reichhaltiger und vollständiger Komplex aus ca. 7000 Briefen, Fotos, Partituren usw. Er bildet das literarische und musikalische Leben der Polen in Polen, Frankreich, Deutschland und der Schweiz ab. Der Komplex enthält zugleich Originalzeichnungen und -aquarelle des jungen Józef Mehoffer, eines Freunds von Opieński. Es sind dies Arbeiten aus den Jahren 1880-1890.

Eine zweite Abteilung bilden die Archivbestände von Janusz Rakowski. Nestor der Polen in der Schweiz (er starb 2001 im Alter von 99 Jahren), Ökonom von Beruf, Historiker und Publizist aus Berufung, ein interessierter Beobachter und Teilnehmer am Leben der unabhängigen polnischen Organisationen, vermachte er der Stiftung einen Nachlass von grosser historischer Bedeutung; darunter befinden sich Briefwechsel (ca. 4000 Briefe), Dokumentationen vieler polnischer Organisationen, persönliche Handschriften, Fotos sowie Malarbeiten und Werke der bildenden Kunst.

Eine dritte Abteilung bildet das Archiv Jan Modzelewskis, der über 50 Jahre lang mit der Schweiz verbunden war. Er war ein Freund und Mitarbeiter von Ignacy Mościski, während des Ersten Weltkriegs Sekretär des Komitees von Vevey (Sienkiewicz), Mitredaktor der Encyklopedia Polska, Teilnehmer am politischen Leben an der Seite von Jan Kucharzewski, Ignacy Paderewski und Erazm Piltz. Während der Zwischenkriegszeit war Modzelewski bevollmächtigter Minister bei der Polnischen Botschaft in der Schweiz, 1946-47 Direktor des Enzyklopädischen Verlags, welcher das Buch 'La Pologne 1919-1939' herausgab. Sein Nachlass enthält Briefwechsel und persönliche Dokumente wie auch Dokumentationen vieler wissenschaftlicher und politischer Organisationen, deren Ziel die Unterstützung der Polen im Kampf um die Unabhängigkeit sowie materielle Hilfeleistung war.

Die vierte Abteilung ist das Familienarchiv von Maria und Zygmunt Estreicher. Maria Estreicher war bei polnischen Organisationen in Genf und in anderen Städten sozial und politisch aktiv. Zygmunt Estreicher, Sohn des Tadeusz (Professor für Chemie an der Universität Freiburg), ist 1920 in Freiburg geboren und war 1940 als Soldat der Zweiten Infanterieschützendivision ebenda im Universitätslager interniert, er organisierte den bekannten Chor der Internierten, der in der Schweiz viele Konzerte polnischer Musik gab. Nach seinem Studium war er Professor an den Universitäten Neuenburg und Genf. Das Archiv bewahrt eine grosse Anzahl von Briefwechseln, Dokumenten und Fotos auf. Ein Teil der Briefwechsel ist wegen seines persönlichen Charakters auf Wunsch der Familie für Wissenschafter vorübergehend nicht zugänglich.

Eine fünfte Abteilung bilden Dokumente polnischer Organisationen wie: der Freiburger Studentenverbindungen Polonia und Jagellonia, karitativer Organisationen wie Pro Polonia, Hilfe für Kriegsopfer in Polen, katholischer Organisationen wie Veritas, Stiftung des Polnischen Hauses, Katholische Polenmission. In der Sammlung befinden sich auch Dokumentationen anderer polnischer Organisationen aus der ganzen Schweiz: Polnischer Klub in Bern, Gesellschaft Polnischer Soldaten, Pro Polonia in Neuenburg und Genf (besonders wichtig im Hinblick auf die Vollständigkeit), Kreis Früherer Soldaten, Museen in Solothurn und Rapperswil, Polnische Vereine in Genf (viele Dokumente), Zürich, Lausanne, die 'Zgoda' in Zürich und viele andere.

Eine sechste Abteilung bildet das Archiv der während des Zweiten Weltkriegs in der Schweiz internierten polnischen Soldaten. Diese Sammlung ist vielfältig, neben Briefwechseln und persönlichen Dokumenten (Studienbücher, Dienstausweise, Zeugnisse usw.) finden sich darin auch Zeitschriften, Kompaktdrucke (Kalender, Singbücher, kulturelle Programme, Mitschriften von der Universität, Lehrbücher für Grund- und Berufsschulen, Eintagspublikationen aus den Lagern, Predigtmuster, Instruktionen für Beruf- und Militärkurse usw.). Die Materialen werden durch Fotos (ca. 6000), Medaillen und Auszeichnungen, Grafiken, Postkarten und Briefmarken, Uniformen und von den Internierten selbst hergestellte Objekte vervollständigt.

Eine nächste Abteilung enthält eine Sammlung von verschiedenen Druckerzeugnissen, die in der Schweiz herausgegeben wurden und mindestens eine der folgenden Bedingungen erfüllen: sie sind in polnischer Sprache verfasst, oder der Autor ist Pole, oder das Thema betrifft Polen. Diese Sammlung von Schweizer Polonica ist zeitlich unbegrenzt und wird ständig erweitert und ergänzt. Die Bestände sind geordnet und digitalisiert. Die Sammlung enthält den grössten Überblick über polnische Zeitschriften, die in der Schweiz herausgegeben wurden oder werden (144 Titel), sie umfasst auch sehr interessante Materialien zum Leben der polnischen Emigration und ihrer Kontakte mit den Schweizern. Sie wird noch ergänzt durch ca. 20 000 Presseausschnitte, Fotos, Plakate, Einladungen, Ton- und Videoaufnahmen.

Die achte Abteilung ist das fotokopierte Archiv von Professor Józef Bocheński. Obwohl sie nur über Fotokopien verfügt (280 Ordner), ist die Stiftung wohl die einzige Institution, welche sein persönliches Archiv fast vollständig besitzt, wobei dazu auch die Erlaubnis gehört, das Material für wissenschaftliche Zwecke zugänglich zu machen.


Die Stiftung führt auch Suchaktionen durch, die sich zum Ziel setzen, polnische Archivmaterialen in Schweizer Institutionen wie Gemeinde- und Kantonsarchiven aufzuspüren. Sie kopiert die gefundenen Dokumente zusammen mit einer Notiz über den Besitzer des Originals und bewahrt sie in ihren Beständen auf. Ziel ist es, den polnischen Forschern den - bisweilen sehr schwierigen und stets zeitraubenden - Zugang zu dem in der ganzen Schweiz verstreuten Archivmaterial zu ermöglichen.

Neben der Suche nach Archiv- und Bibliotheksmaterialien widmet sich die Stiftung auch nicht ihrer Bearbeitung. Es wurden elektronische Datenbasen angelegt: über die mit der Schweiz verbundenen Polen (einige Tausend Personen), über die internierten Soldaten (über 16'000 Namen mit persönlichen Angaben), über Arbeitsplätze während der Internierung (über 700 Ortsangaben) usw. Diese Basen werden ständig ergänzt und aktualisiert.

Ein wichtiger Moment im Leben der Stiftung war die Unterzeichnung eines Abkommens mit der Kantons- und Universitätsbibliothek KUB in Freiburg, auf deren Grundlage alle Bücher und Dokumente der Stiftung im Bibliotheksverbund katalogisiert werden, der alle wichtigen Bibliotheken der französisch- und italienischsprachigen Schweiz umfasst. Dank dem können unsere Bestände von jedem Ort der Welt aus konsultiert werden und im Fall der Schweiz wie auch andere Bücher via Bibliothek ausgeliehen werden. Die Katalogisierung befand sich zunächst in den Händen zweier Personen, gegenwärtig nur noch einer, die zugleich Mitarbeiter der KUB und sich damit in ihrer Freizeit befasst. Von Oktober 1999 bis Mai 2004 wurden über 25 000 Bände katalogisiert.

Um die polnische Geschichte und Kultur in der Schweiz bekannter zu machen, hat die Stiftung ein Buch mit dem Titel « Helvétie, terre d’accueil... » über die in der Schweiz internierten polnischen Soldaten herausgegeben. Es ist dies ein zweisprachiger (deutsch und französisch) Fotoband (ca. 280 Aufnahmen), der das Leben der Internierten in den Jahren 1940-46 dokumentiert, der durch einem historischen Überblick ergänzt wird. Daneben wurde eine Broschüre mit der Autobiografie von Dr. Janusz Rakowski sowie eine Gedenkschrift für den Schweizer Schriftsteller Meinrad Inglin publiziert, der während des Zweiten Weltkriegs Kommandant eines Arbeitslagers für polnische Internierte in der Schweiz war.


Die Stiftung hat folgende Ausstellungen mit Materiale aus ihren Sammlungen organisiert:

1998 in der Stadtbibliothek La Chaux-de-Fonds - « La Pologne dans le Canton de Neuchâtel »,

Im März 1998 an der Universität Freiburg « Leben und Tätigkeit der in der Schweiz internierten polnischen Soldaten »,

Im Dezember 1999 (in Zusammenarbeit mit dem Freiburger Konservatorium) an der Universität Freiburg und im Konservatorium: die Ausstellung « Chopin, Bronarski und Freiburg »,

Im Januar 2000 (in Zusammenarbeit mit der Universität Freiburg): die Ausstellung « Juliusz Slowacki in der Schweiz »,

von August bis Oktober 2000 die Ausstellung « Polnische Internierte in der Schweiz, ihre wissenschaftliche und künstlerische Tätigkeit » in der Stadt- und Universitätsbibliothek in Bern (Dauer vier Monate, auf Wunsch des Direktors der Bibliothek zwei Mal verlängert).

Die Stiftung hat auch eine Veranstaltung in Saignelégier, am Ort des grössten Zusammentreffens von polnischen Internierten nach dem Überschreiten der Schweizer Grenze, organisiert, und zwar zum 60. Geburtstag der Internierung. Während dieses Anlasses wurde eine von der Stiftung finanzierte Gedenktafel enthüllt. Die Veranstaltung wurde durch eine kleine Ausstellung begleitet, welche sich an die Teilnehmenden sowie die örtliche Bevölkerung richtete.

Nur die jahrelange Arbeit einiger Mitglieder des Stiftungsrats und ihrer Freunde, eine ehrenamtliche und in der Freizeit ausgeübte Arbeit, hat die Schaffung eines wissenschaftlichen und kulturellen Zentrums ermöglicht, von dem viele polnische und Schweizer Wissenschaftler und Studenten profitieren konnten. In wissenschaftlichen Arbeiten, in Lizentiats- und Doktorarbeiten findet man immer wieder Danksagungen für die Benutzung der Archivmaterialien. Ein grundlegender Aspekt ist das Engagement vieler unserer Schweizer Freunde. Diese Sympathie kann man nicht genügend hoch einschätzen.

Die Stiftung erfreut sich einer grossen moralischen Unterstützung - was sehr viel wert ist -, und zwar von Seiten der Freiburger Kantonsbehörden, der Polnischen Botschaft in Bern und von vielen Wissenschaftlern an polnischen Universitäten, aber auch von Seiten der Polen, die in der Schweiz leben, und - was besonders wichtig ist - von vielen Schweizern.

Vor der Stiftung steht noch eine gewaltige Aufgabe. Die Anzahl der Dokumentationen, die das Leben der Polen in der Schweiz darstellen und sich in privaten Händen befinden, ist sehr gross. Mit jedem Tag wächst die Gefahr einer Zerstörung der Spuren der kulturellen und politischen Aktivität von Polen, die Gefahr, dass der polnische Beitrag für das Leben der Schweiz in Vergessenheit gerät. Dies liegt uns sehr am Herzen, daher schätzen wir alle Zeichen der Unterstützung, welche es uns ermöglichen, die diesbezüglichen Anstrengungen zu verstärken.

Seit einiger Zeit besitzen wir eine Internetadresse: www.fondationahp.ch. Diese wird noch ausgebaut.

Im Jahr 2003 erhielt die Stiftung ca. 1 600 Quadratmeter (160 Regale) in der neuen Filiale der Kantons- und Universitätsbibliothek, wo das Archiv sowie die Bibliothek (also Dokumente, Bücher und Zeitschriften) untergebracht werden konnten. Die Bedingungen sind ideal, eine Klimatisierung ist vorhanden. Der einzige Wermutstropfen ist der eingeschränkte Zugang zu den Sammlungen.

Im April 2006 konnte die Stiftung ein Lokal (72 m2 - eineinhalb Zimmer) im Zentrum Freiburgs erwerben. Das Lokal soll vor allem die ständige Ausstellung von Gegenständen im Zusammenhang mit der Internierung beherbergen (ein Zimmer) sowie einen Ort für Konsultationen und Forschungsarbeiten für jenes Archivmaterial bieten, das ansonsten in der KUB Beauregard gelagert wird. Im Dezember desselben Jahres konnte das Lokal unter der Teilnahme der polnischen und Schweizer Behörden offiziell eröffnet werden.